Abflug! Nachbar! Gammastrahlen!

Ein kanarischer Rabe „Corvus corax canariensis“ oder auch „Cuervo“, hebt ab von der Plattform am Roque de los Muchachos auf 2400m. Dieser endemische Vogel ist leider vom Aussterben bedroht. Hier oben am Gipfel zeigt er allerdings recht wenig Scheu vor Menschen, mitunter frisst er schon mal einem Besucher aus der Hand.  Man sollte auch seine Abenteuerlust nicht unterschätzen – einmal sah ich einen von ihnen in den offenen Kofferraum eines Mietwagens hineinfliegen. Eine Sekunde später flog der schwarze Dieb mit einer ganzen Packung Kekse im Schnabel vor den Augen der sprachlosen Touristen davon. Anderntags tobte ein unverkennbar bayerischer Rennradfahrer am Gipfel:“Dess Sauvieach hat mein Müsliriegl gstohln!“ Aber meistens schweben die glänzenden gefiederten Gesellen majestätisch im Krater umher oder laufen friedlich und neugierig über die Steinmauern.

Sonnenuntergänge wie dieser machen Besuche auf La Palma so unvergesslich. Ein Wolkenmeer im Krater. Glutrote Felswände und freie Sicht auf Teneriffas El Teide. Und ganz besonders bemerkenswert: ein fast menschenleerer Gipfel. Es ist eine etwas mühsame Autofahrt hier hinauf – 40 Kilometer lang, unzählige Serpentinen, Nebel, abgestürzte Felsen und Zedernnadeln auf der Strasse…. Das alleine sorgt schon für Ruhe auf dem Berg. Die Fahrt scheint viele tatsächlich abzuschrecken. Aber es ist schon erstaunlich, dass auch jene, die den Weg auf sich genommen haben, mehrheitlich noch vor dem Sonnenuntergang wieder zurück in’s Tal brausen. Umso besser für die Beharrlichen – wir können in aller Ruhe dem Spektakel zusehen, und uns anschliessend dem zweiten Naturschauspiel widmen, das hier oben fast täglich aufgeführt wird: einer der klarsten Sternenhimmel der Welt entfaltet sich nach Einbruch der Dunkelheit. Wohl dem der Mütze, Handschuhe und Daunenjacke mitgebracht hat, denn der kann sich nun auf den Vulkansand legen und begleitet nur vom Geräusch des Windes Sternschnuppen zählen.

Hat ein fieser James-Bond-Schurke eine neue alles bedrohende Strahlenkanone gebaut? Haben die X-Men ihr Hauptquartier auf den Kanaren aufgeschlagen? Haben übermässig eitle Bienenvölker diese spiegelnden Waben erschaffen? Nichts von alledem ist wahr – vielmehr verwenden pfiffige Astrophysiker die drei MAGIC Teleskope auf La Palmas Gipfel, um das von kosmischen Gammastrahlen verursachte Tscherenkow-Licht zu messen. Ein Höhepunkt eines Besuches hier ist der seltene Moment, wenn sich die Spiegel kalibirieren. Es brummt und summt, und das Bild, das die vielen einzelnen Spiegelnden Flächen ergeben, zerlegt sich pausenlos und baut sich wieder erneut zusammen, bis irgendwann ein intaktes Spiegelbild übrig bleibt. Die ganze Sache ist wirklich faszinierend, und die Typen die das Ding betreiben, beziehungsweise die insgesamt drei Teleskope, erklären es viel ausführlicher hier: https://magic.mpp.mpg.de/