Schildbürgerstreiche allerorten

Da ist man mal ein paar Tage nicht in der Stadt oder zumindest nicht in Bereichen, wo sich der Einzelhandel mit Schaufensterauslagen und den Konsumenten zum Eintreten animierenden Werbesprüchen präsentiert…

…und dann ist auf einmal alles anders. Klar, die letzte Zeit hatten ja fast alle geschlossen, nur die Supermärkte waren noch geöffnet und wurden schlagartig mit Plastikplanen zwischen den Kassen ausgestattet, Baumärkte wurden zu Livebeispielen für die Verwendung des dort erhältlichen Absperrbandes. Doch die kleineren Läden waren außer Gefecht und sind nun verständlicherweise enthusiastisch, „zu bestimmten Bedingungen“ wieder öffnen zu dürfen.

Niemand gönnt es Ihnen mehr als ich, der selber weiterhin nicht arbeiten darf. Heute hatte ich dann Gelegenheit, mich visuell und kognitiv damit auseinanderzusetzen, wie die alleweil proklamierte „neue Normalität“ in diesem völlig alltäglichen Bereich aussieht. Kein Laden, der nicht mittels frisch gedruckten Plakaten in unterschiedlichster Aufmachung die Verlautbarungen des großen Bruders bis an die Basis, das Individuum, den Kunden heranträgt.

Flexibel bei den Besucherzahlen, aber nur auf dem Papier.
Bücher über Pflanzen, wo uns doch die Furcht vor dem Atmen plagt?
Nicht Jeder nimmt sich überhaupt Zeit für eine ausführliche, grafische, oder gar freundliche Ansprache… Naja – die Kommunikationsunternehmen haben es ohnehin nicht so mit der Kommunikation.
Was für Menschenansammlungen haben bitte früher in diesem Schuhgeschäft geherrscht? Und was will das linke Piktogramm uns sagen? Sprechen Sie über andere, aber nicht mit ihnen?
Bei der Konkurrenz nebenan sind glatt 50cm mehr „Abstand“ fällig – naja vielleicht wird hier auf die Regale verzichtet… Und die rot umrahmten Plakate erinnern die älteren unter uns vielleicht an die Fahndungsplakate früher in der Post. (Die Post, für die jüngeren unter uns, das war ein Ort, wo man Briefe… also Briefe, das waren früher…ach das führt jetzt zu weit!)
Im Eisparadies darf man Eis kaufen – aber um Himmels Willen nicht essen!
Auch nicht auf den Bänken der Stadt. „Bewegung“ ist groß geschrieben – das soll wohl heißen, das faul Herumsitzen ist ganz allgemein unerwünscht. Achja da gab es ja so Fälle in Berlin, wo sich jemand auf einer Bank aufhielt, ohne verletzt oder in Atemnot zu sein, woraufhin die Exekutive ihn mit einer Geldstrafe motivierte, doch zukünftig in Bewegung zu beiben.
Überhaupt ist derzeit eine Fürsorge im öffentlichen Raum zu spüren… „Denken Sie an die Gesundheit Ihrer Angehörigen“, steht da. Und direkt daneben klebt dann:
… nicht weniger als das absolute Verbot, ebenjene Angehörigen zu besuchen! Also: Hände desinfizieren, und dann an die Angehörigen denken, die man nicht besuchen darf. Alles klar?