Toxische Kunst? Giftige Besucher?

Manchmal ist es etwas verwirrend. Das hat die Kunst ja so an sich. Doch nun stellt sich die Frage schon bevor man überhaupt mit jedwedem Kunstwerk in Kontakt kommt: ist denn nun die Kunst toxisch? Oder der Betrachter?

Womöglich kommt es auf die Kunst an. Eine Galerie teilt dem Besucher mit, dass man hier die Türglocke nach jedem vorherigen Benutzer desinfiziert. Mein erster Gedanke war: „Haben sie Sorge, dass sonst keiner läutet? Oder hat ihnen jemand telefonisch mitgeteilt, er würde ja sehr gerne vorbeischauen, aber er traut sich nicht, weil, die Klingel, und so…“

Oder – was gehen hier bitte für kunstliebhabende, schleimige Sumpfmonster ein und aus, die eine solche Mitteilung nötig machen?

Im Museum nebenan, gibt man sich derart Mühe gar nicht erst – man schließt einfach völlig „aufgrund der aktuellen Situation.“ Diese oder auch „bis auf weiteres“ sind ja im übrigen Formulierungen, welche man bis vor kurzem fast nie hörte, die aber aktuell landauf, landab an so ziemlich jeder verschlossenen Tür zu finden sind. Jedenfalls muss der unbedarfte Passant im sicheren Glauben von dannen ziehen, hinter diesen Türen spiele sich Unaussprechliches ab; Kunst eben, und zwar solche, die noch nicht mal einem kompetenten Publikum zugemutet werden kann.

So manchem wird das alles zu viel – vollkommen verständlicherweise – und er beschliesst, einfach zu Hause zu bleiben. Was bis vor wenigen Wochen noch ein verhältnismässig banaler Aggregatzustand war, eben das „sich aufhalten in den eigenen vier Wänden“, das ist nun eine Religion, ein Kult, eine „Raison d’etre“, ja eine regelrechte Sozialmarketingaktion mit eigenem Hashtag. Und jeder weiß – was ein eigenes Hashtag hat, das ist von großer Bedeutung. Oder wäre es gerne. Jedenfalls hat sich der Internaut in den vergangenen Jahren ausgiebig daran gewöhnt, dass alles was verbreitet werden soll, mit dem bis dato fast unbekannten # versehen wird. Neueren Datums ist die Angewohnheit, auch auf Plakaten, in Anzeigenkampagnen oder auf Flugblättern anstelle von vollständigen Sätzen nurmehr mit # versehene Schlagworte in die Öffentlichkeit hinaus zu posaunen.

Endgültig neu ist die hier dokumentierte Daseinsform: Leute bleiben in ihren vier Wänden, und teilen dies via Plakat auf der Türschwelle jenen mit, die augenscheinlich gerade nicht zuhause sind – sonst könnten sie das Schild ja nicht lesen.

Tatsächlich eine interessante und kostengünstige Alternative zum Abwehren von Einbrechern: das „Einbrechen zwecklos – wir sind zuhause“ Schild.