Als ich zum ersten Mal durch das Kanadorii lief, dachte ich, es ist nur eines von vermutlich hunderttausenden solcher Tore, wie sie in Japan überall herumstehen. Als Eingang zu Schreinen, manchmal mitten in der Stadt oder am Waldrand. Japan steht voller Torii, aus Holz, Beton, Metall. Grau, rot, braun… So betrachtet wäre es bemerkenswert, dass das Tor in Fujiyoshida alle Umbauten der Stadt überdauert hat. Immerhin steht es an einer viel befahrenen Hauptachse der Stadt, und man muss schon sehr früh aufstehen, um es ohne Autoschlange zu Gesicht zu bekommen. Wie die historischen Bilder auf Schildern neben dem Tor belegen, steht es schon weit über 100 Jahre an diesem Ort, und rahmt wie zufällig Mount Fuji perfekt ein.
Natürlich ist das kein Zufall. Mount Fuji ist und war seit je her ein heiliger Berg. In früheren Jahrhunderten stiegen auch nicht wie heute tausende Menschen jeden Tag hinauf. Vielmehr fürchteten sie den Berg und verehrten ihn lieber von unten aus. Der traditionelle Ort hierfür ist der 1615 erbaute Kitaguchi-hongu Fuji Sengen Schrein. Hier beteten Bergsteiger für eine erfolgreiche Expedition auf Fujisan, und manche tun dies heute noch. Die überwältigende Mehrheit allerdings nimmt den Bus bis auf 2500 Meter und lässt die ersten 10 Kilometer einfach aus.
Eine „echte“ Mount Fuji Besteigung beginnt jedoch am ersten von drei heiligen Torii, eben dem Kanadorii mitten in Fujiyoshida, direkt neben dem Bahnhof. Anschliessend durchquert man zwei weitere Torii an Eingang und Ausgang des Schreins (der im Übrigen in einem fantastischen Zedernwald gelegen ist, und drei 1000-jährige Bäume beherbergt). Dann geht es durch einsame Wälder, in aller Ruhe und noch fernab der Menschenmassen. Die trifft man erst auf Höhe des mächtigen Buswendeplatzes an der 5th Station.
Das Kanadorii bleibt gelassen. Tausende Autos durchqueren es täglich, bei klarem Wetter wird es unzählige Male fotografiert. Das Kanadorii rahmt den heiligen Berg ein, ob er nun in Wolken ist oder gut sichtbar, und wünscht dem, der tatsächlich hier startet einen guten Aufstieg. Ich habe keinen Zweifel – wer am Kanadorii startet, der wird erfolgreich zum Gipfel gelangen.