Es war einmal ein junger König. Sein Palast befand sich inmitten einer riesigen Sandwüste, deren Ausmaße nicht bekannt waren. Man konnte auch das Ende der Sandwüste nicht erkennen oder auch nur erahnen, weil der Planet auf dem der König lebte, eine Kugel war.
Sand bedeutete alles auf diesem Planeten, er war zugleich wichtigster Rohstoff, Zahlungsmittel, Baumaterial,… Da der König ja der König war, gehörte ihm all der Sand, und er konnte frei darüber verfügen.
Der König hörte von einer Sache namens „Internetz“. Dort könne man alles finden und sehen, was es im Universum gab. Er rief seinen Minister zu sich. „Minister“, sagte er, „ich wünsche ein solches Internetz in meinem Palast. Denn ich langweile mich und benötige Zerstreuung.“
„Das kann ich besorgen“, sagte der Minister. „Ich muß lediglich einige Schippen Sand dagegen eintauschen.“ Der König winkte ab, schließlich besaß er ja unermesslich viel Sand. „Her damit!“ Kurz darauf war der Palast mit einem sandfarbenen Kasten ausgestattet, der mittels eines Fensters die unbegrenzte Vielfalt des Universums zu zeigen vermochte.
Den König amüsierte diese Unterhaltungskiste, und er studierte sie eifrig. Eines Tages sah er das Bild eines Palastes, welcher viel größer war als sein eigener. Aufgebracht rief er seinen Minister zu sich: „Baut mir auf der Stelle einen noch größeren Palast!“ Den Einwand, daß ein solches Vorhaben riesige Mengen von Sand verschlingen würde, wischte der König beiseite: „Besitze ich nicht Sand bis zum Horizont?! Ich will einen solchen Palast, koste es was es wolle!“ Der Minister gehorchte und bestellte eine Armada von Baggern.
Während der Bauzeit beschäftigte sich der König, dessen Alter nun fortgeschritten war, mit allerlei Besuchern. Manche berichteten ihm von entfernten Orten, andere tanzten, sangen Lieder, wieder andere kamen, um ihm unnützen Tand anzudrehen oder wertlose Objekte. Da ihm nichts besseres zu tun einfiel, empfing er pausenlos Barden und Barbiere, Schergen und Scharlatane, Händler und Hochstapler… Für ihre Dienste wurden sie alle beim Verlassen das Palastes mit Sand entlohnt.
Des nachts verbrachte der König viel Zeit vor seinem sandfarbenen Apparat. Auch hier verfolgte er immerwiederkehrende Darbietungen welche ihn langweilten, Gespräche von Leuten, die er nicht kannte über Dinge, welche ihn nicht betrafen und zwischendrin eine nichtendenwollende Flut von kurzen Filmen deren Inhalt spielende, schlafende oder verunfallende Katzen waren. Außerdem gab es sehr viele Ankündigungen von bevorstehenden Sandstürmen zu sehen.
Der Apparat war unerschöpflich und auch ungemein praktisch, da der König im Austausch gegen Sand, welchen er per berittenem Boten an die Gegenseite versenden ließ, schier alles nur erdenkliche auf seinem Glaskasten gezeigt bekommen konnte. So gingen die Jahre dahin, und als endlich der neue noch größere Palast fertig war, war der König mittlerweile ein alter, gebrechlicher Mann. Nach seinem Umzug in das neue Bauwerk stellte sich heraus, daß ihm die vielen Treppen und Etagen gar zu beschwerlich waren und er die zahlreichen Türmchen erst recht nicht erreichen konnte.
So ließ er sich in einem Saal im Erdgeschoß nieder und wies den Minister an, Maler in die verschiedenen Türme zu entsenden, welche ihm täglich ein Bild der Aussicht anzufertigen hatten. Diese betrachtete er nun jeden Tag und entlohnte jeden Maler großzügig mit Sand. Abgelenkt durch die spielenden Katzen auf seinem Tischkasten, fiel dem König jedoch gar nicht auf, wie sehr sich sein Königreich verändert hatte.
Durch seine Gebrechlichkeit alarmiert, war ihm indes gewahr geworden, daß sein Alter quasi unbemerkt fortgeschritten war, und dies beunruhigte ihn. Er hatte diesen Umstand doch glatt völlig übersehen! Da fand er im allwissenden Internetz die Lösung für dieses Versäumnis: Auf einem Bild sah er eine Art gläserne Acht. Eine mit Sand gefüllte Skulptur, Stundenglas genannt, oder auch: Sanduhr!
Nun war es sein größter Wunsch, eine solche Sanduhr zu besitzen, mit der er seine Lebenszeit fortan messen wollte. Er ließ den Minister kommen und sagte: „Herr Minister! Lasst mir eine Sanduhr anfertigen, auf daß ich damit meine Lebenszeit sichtbar machen und beobachten kann!“
Der Minister schaute betroffen und antwortete nachdenklich: „Das ist eine vortreffliche und sinnvolle Idee, Sire. Jedoch – es ist kein Sand mehr da…“